Ich erinnere mich noch:
Etwa um 1995 begann die Schnürschuh- und Plateauschuhzeit. Die in Ummengen vorhandenen 80er und Frühneunziger zumeist langen Stiefel wurden entsorgt. Die meisten Frauen und Mädels hatten ja mehrere Paare davon. Vermutlich wurde wegen der fast überall noch vorhandenen Öfen der größte Teil sofort verbrannt, Vieles landete im Sperrmüll. Es war wirklich so, die meisten meiner noch erhaltenen Sperrmüllfunde stammen daher. Natürlich wurde auch wiederum ein sehr großer Anteil der "Sperrmüllschuhe" eingesammelt, um sie ebenfalls zu Verbrennen. Das weiß ich daher so sicher, weil ja an den riesigen Müllhaufen in den "ofenfreien" Neubaugebieten stets mehrere "Sammler" tätig waren und man sich eventuell noch tragbare Teile austauschte.
Einige ehemalige vietnamesische Gastarbeiterinnen aus Dessau waren sehr "scharf" auf Lederkleidung und lange Lederstiefel. Sie waren "wirkliche Schnipplerinnen", sie haben die Kleidung und Stiefel zerteilt, wieder vernäht und daraus Sofa- und Auto-Kopfkissen, aber auch Schlüsseltaschen, Miniröcke u.a. hergestellt. Sogar die Reißverschlüsse wurden sauber abgetrennt und dafür wieder verwendet. Die Langen für die Kissenbezüge, die Kurzen aus den Stiefeletten für die Röcke und Täschchen. Nur das Futter, die Schuhpitzen und Absätze wurden verfeuert. Eine Zeit lang habe auch ich noch brauchbare Stiefelschäfte abgeschnitten und sie nach Dessau geschickt. Dafür bekam ich eine große Sofadecke aus Lederflicken, ich hatte sie in meiner alten Wohnung, damit ich nicht mit der Schuhkreme meiner Hausschuhe die Polster verschmiere. ²
Aber irgendwann waren die Mädels Verzogen. Einen Teil der noch immer bei mir vorhandenen Schäfte hatte ich ja schon gezeigt, sie dienen mir heute als Reparaturmaterial, hauptsächlich für Absatzbezüge.
Aber, diese ganzen Schnippelaktionen waren ja zweckdienlich, ansonsten empfinde ich ein Zerschneiden vor dem Verbrennen als unnötig. Ich habe ja auch schon Versuche gemacht, Schuhschredder eines Geschäftes zu Verheizen, mit mäßigem Ergebnis; ganze Schuhe brennen deutlich intensiver!
Über Eines jedoch können wir uns einig sein:
Man muß die Arbeiten dieser Vietnamesinnen wirklich auch als reines "Hobby" bezeichnen, es ist deutlich unökonomischer, alte Schuhe versuchen zu Recyclen, als dafür Neue herzustellen. Es wird also immer nur das "Ende" im Müll bleiben. Da sie ohnehin fast alle in der MVA verbrannt werden, gibt es wahrhaftig nur eine sinnvolle Alternative zur Tonne: Man verbrennt die alten Schuhe gleich selbst zu Hause im Ofen. Dadurch spart man Lager- und Transportraum und gewinnt zusätzlich nicht unerheblich Energie. Ich würde an Hand der langjährigen Erfahrung Lederschuhe sogar als den perfekten Brennstoff für Küchenherde und natürlich den Badeofen bezeichnen! Gerade die Warmwasserbereitung ist ja äußerst energieintensiv, Altschuhe sind ja praktisch kostenlos zu Beschaffen. Eventuellen "Schadstoffdiskussionen" muß man aber auch den anteiligen Transportverbrauch, die Rückstände der MVA und den Wert der damit eingesparten anderen Brennstoffe entgegensetzen.
² Heute haben wir sinnvollerweise gleich ein schwarzes Ledersofa ...
